Technische Schulden

Nun, der eine oder andere hat es vielleicht schon mit bekommen: ich wechsle zum September den Job. Mal wieder ein Neuanfang. So ein Neuanfang hat aber auch immer noch etwas vorher: Das Aufräumen, übergeben der Arbeit, einen sauberen Abschluss.

Ich finde es gut, dass mein noch-Arbeitgeber mir dazu wenigstens tatsächlich einiges an Zeit zugesteht. Sachen aufschreiben, die ich nur im Kopf hatte, dokumentieren, gerade ziehen.

Das Ding ist einfach: dies sind alles „technische Schulden“ (also nicht primär monetärer Art), die sich über die Monate aufgebaut haben. In einer idealen Arbeitswelt wären diese „Schulden“ eigentlich gar nicht entstanden. Denn schliesslich „sollte man“ ja immer seine Arbeit gut dokumentieren, gründlich Arbeiten, keine Schlampereien akzeptieren, damit auch eine Kollegin die Arbeit weiter machen kann, wenn man mal von einer Herde Nashörner platgetrampelt wurde.

Eben, in einer idealen Arbeitswelt. In der realen, da sieht das leider oft ganz anders aus. Es ist Zeitdruck, es muss schnell schnell fertig, oder es schert sich einfach niemand sonst um die eigene Arbeit. Und man baut mehr und mehr diese Schulden auf, die man dann viel später teuer zurückzahlt.  Statt in Dokumentation könnte ich die Zeit ja vielleicht jetzt viel besser verwenden, um noch andere Mitarbeiter einzuarbeiten. Oder noch Sachen implementieren, die tatsächlich verkaufbar sind.

Ich denke, dass sich dieses Prinzip auch auf andere Lebensbereiche übertragen lässt. Z.B. Kindererziehung, Haushalt – was weiss ich. Es baut sich ein Berg an Schulden auf, der über einen irgendwann herein bricht.

Nun hilft es aber nichts, gebetsmühlenartig zu wiederholen: „mach das halt nicht. Arbeite sorgfältig. Dokumentiere. Kein Schnell Schnell“. Richtig stattdessen ist, eine Umgebung zu schaffen, in dem so etwas möglich ist. Für einen Arbeitgeber bedeutet dies, nicht die Mitarbeiter einfach nur zu bezahlen, und zu erwarten dass nachher alles fehlerlos fertig ist. Stattdessen eben eine Arbeitskultur zu ermöglichen, zu ermutigen, zu erlauben, in der ein Miteinander eigentlich die Regel ist statt die Ausnahme, in dem die Arbeit eben wertgeschätzt wird, wenn sie „komplett“ ist, und nicht bereits wenn der Kunde nicht mehr meckert. Ich habe in den Jahren immer wieder gemerkt, dass man im Job leider allzuschnell in Einzelkämpfer-Situationen gelangt (selbst in grossen Firmen), wo man Spezialist für irgendetwas ist, und plötzlich egal ist, was man für Qualität produziert, weil niemand mehr reinschaut, oder sich traut in die Arbeit des anderen rein zu schauen. Resultat ist, dass Qualität automatisch leidet – denn schliesslich kennt man sein „Revier“ ja in und auswendig. Leider leidet darunter (zumindest bei mir) oft die eigene Zufriedenheit und Motivation.

Aber statt am Umfeld zu arbeiten, versucht man „TODO Listen“, Motivationsposter, und bucht einen Qualitätsmanager-Kurs, wo einem nur gesagt wird, was man zusätzlich zu seiner eh schon vielen Arbeit noch tun soll. Zusätzliches, was einem keiner bezahlt.

Um zum Anfang zurück zu kommen – ich wechsle den Arbeitgeber, passe also mein Umfeld an. Ob das neue eines ist, in dem ich zufriedener werden kann, was die eigene Arbeit angeht, bleibt abzuwarten. Eine Chance auf einen Neuanfang ist es jedenfalls. Und meine Schulden habe ich dann erst mal wieder abbezahlt.