Mir hat das ja auch nicht geschadet.

Bist Du als Kind geschlagen worden? Wie fühlt sich das heute an?

Diese Geschichte wollte ich eigentlich schon vor längerer Zeit einmal bloggen:

Vor ca. 6 Jahren unterhielt ich mich in der Pause mit einem Kollegen. Ein eher ruhiger Zeitgenosse, aber mit Bodybuilder-Figur, und bei 1.90m Körpergrösse eher vom Typ „würde ich nicht im Dunkeln begegnen wollen“. Ich verstand mich aber eigentlich gut mit ihm, er war halt eher ein Einzelgänger, mit wenig bis keinen Hobbies ausser Programmieren und Body-Builden. Da die Geburt unserer Tochter nicht lange her war, kam wohl die Sprache auf Kinder und Erziehung. Ich muss wohl so etwas von mir gegeben haben, wie „bei dem dauernden Gebrülle könnte ich meine Kinder manchmal an die Wand klatschen“. Wie gesagt – Konjunktiv, das heisst noch nicht, dass man es dann auch tut. Aber jeder Elter wird mich ein Stück weit nachvollziehen können.

Nun meinte er darauf: „Das ist schon in Ordnung, ich hätte früher auch sofort eine gefangen. Und so lange, bis ich aufgehört hätte“. Er erzählte dann von seinem Vater, der bei der Fremdenlegion war, und seinen doch „derben“ Erziehungsmethoden. Das ist schlimm. Ich kann mir auch vorstellen, dass es als ex-Fremdenlegionär fast unmöglich ist, wieder ein Trauma-loses, normales Leben zu führen. Und dass sich die Erlebnisse oft in körperlicher Gewalt äussern, weil sie mit Worten gar nicht mehr beschreibbar sind.

Was ich allerdings wirklich schockierend fand, war seine Meinung dazu: „Mir hat das ja auch nicht geschadet. Das hat mir Respekt gegenüber meinem Vater gelehrt. Und ich würde das bei meinen Kindern auch so machen.“. Nachdem ich versuchte, ihn darauf hinzuweisen, dass dies mittlerweile strafbar wäre, war mangels Einsicht („das ist mir doch egal“) das Gespräch relativ bald zu Ende.

Ich verstehe ja, dass man versucht, sich selbst als „richtig“ darzustellen. Dieses „hat mir nicht geschadet“ – das kann ich noch nachvollziehen, man sagt das einfach, um sich selber zu bestätigen, dass man noch alle Latten am Zaun hat. Die Sache mit dem Respekt ist aber einfach falsch. Respekt kann man sich nur durch „Wohltaten“ schaffen. Respekt ist in meinen Augen Anerkennung für eine positive Bereicherung der Gesellschaft durch die Taten einer Person. Das was er meinte, ist schlichtweg: Angst. Angst und Respekt haben aber nun mal sowenig miteinander zu tun, wie Kirschkernweitspucken mit den Olympischen Spielen. Da geht es nur um Macht und Kontrolle. Wir haben doch vor dem Vater, dem Chef, dem Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Präsidenten, nicht mehr Respekt, weil sie uns permanent schikanieren. Sehr wohl hätten wir Respekt, wenn sie sich für das Wohlergehen anderer, oder besonders gar für uns einsetzen. Der Chef, der den Mitarbeitern den Rücken vor dem invasiven Sales freihält. Der dafür sorgt, dass Budget da ist, und alle ihre Arbeit gut erledigen können. DER Chef erhält den gebührenden Respekt.

Ich bin als Kind auch geschlagen worden. Ich wusste als Kindergärtler noch nicht, wie das Gefühl heisst, welches ich dabei hatte. Aber heute glaube ich, dass es einfach nur Verachtung war. Und das ist das Gegenteil von Respekt.