Konsolenangst

Ja, ich oute mich. Auch ich gehörte mal zu der Spezies, die von Bill Gates und Steve Jobs so erzogen wurde. Zum „GUI-Nutzer“. Also „Klicki-Bunti“-Computer-Mensch. Diese grafische Benutzeroberfläche, die einem vorgaukelt, dass man ohne ein Handbuch zu lesen diese doch sehr komplexe Maschine bedienen – oder gar Kontrollieren – kann.

Wenn man dann Computer mal ein paar Jahre so genutzt hat (ich erinnere mich noch, es gab eine Zeit vor dem GUI… so mit „READY – blinkblinkblink“ und mit DOS und so…), macht sich über die Jahre ein subversives Gefühl breit – ich nenne es „Konsolenangst“. So ein unbehagliches Gefühl, wenn man wieder nur Buchstaben und blinkende Cursoren anstarrt. Vielleicht auch ein Gefühl der Überforderung.

Manche sagen gar, dieses Terminal, dieses „Command Prompt“, die Konsole – ja die ist doch eh völlig nutzlos. So dachte ich auch mal. Und fing an, mein Linux im Büro genau so zu nutzen, wie ich das von Windows und Mac OS gewohnt bin. Klicki. Ubunti.

Nur: irgendwie funktioniert das nicht so richtig. Linux will eben, dass man seine Angst überwindet. Dass man dieses schwarze, lieblos gestaltete Icon anklickt. Oder mittlerweile eben nur noch CTRL+ALT+t tippt. Und dann hast du dieses blinkende Dings da vor dir und fühlst dich wie der erste Computernutzer. Kopierst Internet-Beispiele heraus, herein. Zack-Return. Fragst dich, wozu es man-pages (Kommando-Hilfe) gibt, wo man da doch eh nie drin findet, wie das Kommando funktioniert, und das Internet einem die Lösung viel schneller ausspuckt.

Und langsam, ja sehr langsam merkt man etwas. Das Zeug funktioniert einfach. Und man selber, und der Computer wird schneller. Man hantiert viel weniger mit Fenstern rum. Man kann Einstellungen viel schneller in Text-Dateien ändern. 1000 mal das gleiche machen ist plötzlich kinderleicht. Ja, selbst der geliebte (grafische-) Texteditor wird immer weniger gebraucht (nano! vi! emacs! – warum das Terminal verlassen?). Der Weg der Hand zur Maus als immer länger, immer lästiger empfunden. Ja, es ist ein relativ langer Lernprozess. Der Abstraktionslevel ist höher, wenn man nur mit Buchstaben arbeitet, statt mit Symbolen. Aber Stück für Stück für Stück fällt das leichter. Und geht in Fleisch und Blut über.

Und dann ist sie weg, die Konsolenangst. Und ich kann nun wählen. GUI für bunt, und Terminal für schnell. Schöne alte neue Computerwelt :-)

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