Ich mach das hier ja selten, dass ich ein Buch empfehle, aber nach dem „Seven Day Weekend“ finde ich „Wunder muss man selber machen“ von Sina Trinkwalder das am meisten Augen-Öffnende Buch, welches ich bislang gelesen habe. Aber dazu gleich.
Sina hatte eine (wohl recht erfolgreiche) Marketing-Agentur, und sich eines Tages gefragt, worin eigentlich der Sinn dieser Tätigkeit liegt. Es fand sich einer: Indem die von Ihr designten Hochglanzmagazine von Obdachlosen aus dem Müll gefischt als Weihnachtsschmuck umfunktioniert wurden.
Ziemlich traurig, und wohl ein Moment, in dem es „Klick“ gemacht hat. Was dann geschah ist wohl in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bislang noch nicht so häufig vorgekommen. Sie schmeisst alles hin, und investiert ihr (und das ihres Mannes) ganzes Vermögen in eine Textil-Manufaktur. In Augsburg. Mit ökologisch hergestellten Stoffen und Garnen. Auch aus Deutschland. Mit einem riesigen Maschinenpark – nicht mehr aus Deutschland, weil es den dort nicht mehr gibt. Und produziert Shirts, Hosen, Mäntel, Pullover. Bestellen kann man online. Und obendrein stellt sie nur „Arbeitsmarktzombies“ ein, also grösstenteils „Ladies“ (wie sie sie nennt), die in den Statistiken gar nicht mehr auftauchen. Keine Jobs mehr finden (weil es in Deutschland keine Textil-Industrie mehr gibt). Harte Lebensgeschichten hinter sich haben. Und zahlt angemessenen Lohn. Und verkauft tatsächlich jedes Jahr mehr, die Firma wächst, obwohl alle gesagt haben, wie verrückt sie doch ist, und dass sie nach 3 Monaten pleite ist (jetzt sind es schon über 3 Jahre!).
Verrückt finde ich das gar nicht. Im Gegenteil. Ich bin auch der vollen Überzeugung, dass Lohndumping, Zeitverträge, Outsourcing, Produktionsverlagerung in Billiglohnländer und der ganze Geldgier-freie Märkte-Kack nur ein „Race to the bottom“ sind. Dabei verlieren alle – bis auf die Shareholder. Denen ist aber alles egal, ausser die Gewinne.
Und die kann man heutzutage nicht mehr in Menschenwürdiger Form ins Unermessliche steigern. Hier müssen wir gegensteuern. Dringend.
Und Sina macht das. Mit einer bewundernswerten Energie und Begeisterung, hier etwas Gutes zu tun, Menschen wieder menschenwürdige Arbeit zu geben, sie dafür Wertzuschätzen und dabei immer ehrlich und auf Augenhöhe umzugehen – braucht es mehr? Braucht es zweistellige Gewinnsteigerungen jedes Jahr? Für wen? Damit sich die Arbeiter ihre aus eigener Hand hergestellten Produkte nicht mehr leisten können?
Dieses Buch hat mich – wider erwarten – gefesselt vom Anfang bis zum Ende. Es ist sicherlich kein literarisches Meisterwerk – aber Klartext. Und eine sehr bewegende Geschichte, mit all den Hindernissen, die es in Wirtschaft, Politik und der Gesellschaft gibt, und einem Happy-End mit offenen Ausgang und Hoffnung auf eine noch spannendere Fortsetzung.
Kauft dieses Buch, und empfehlt es weiter. Ich finde, Sina’s Engagement ist ein Vorbild für uns alle, und kann nicht hoch genug honoriert werden.
Ach ja, und Klamotten könnt ihr hier bestellen (leider nicht, wenn ihr wie ich in der Schweiz wohnt) http://manomama.de
Sina könnt ihr auf Twitter als @manomama finden