Und die Piraten?

Wahl in Deutschland. Merkel räumt ab, FDP dankt ab, SPD und Grüne bauen ab, Linke warten ab und AfD kommt knapp vom Ziel ab (zum Glück).

Und die Piraten? Die kacken ab.

Unvorstellbar eigentlich. Wo doch die Steilvorlage von Snowden geliefert wurde. Bald täglich neue Enthüllungen, welche die Politik von Merkel & Co in Frage stellt. Und auch sonst hätte es genug gute Gründe gehabt, Piraten zu wählen. Aber es tut kaum jemand.

Liegt das nur daran, dass den Leuten das Thema so egal ist? Nein, glaube ich nicht. Die Piratenpartei hat sich einfach viel zu lange, viel zu intensiv mit sich selber beschäftigt. Klar, guten Aktivismus haben sie auf die Strasse gebracht. Haben mit Leuten geredet. Aber wie auch die Süddeutsche schreibt, reicht Aktivismus nicht aus.

Ich habe das Gefühl, dass der Grundfehler der Piratenpartei in Deutschland (in der Schweiz sind sie ja quasi inexistent…) darin liegt, das System ändern zu wollen (mehr Basisdemokratie) indem man bereits mit einem geänderten (aber noch nicht ausgereiftem) System an den Start geht. Sie verhaspeln sich permanent in Killefiz-Debatten, sägen permanent Kandidaten ab, und wollen einfach nicht mit dem „System Politik“ mitspielen. Das verstehe ich auch. Mir gefällt das System so auch nicht. Jetzt hat sich Sonntag aber mit der Faust ins Gesicht gezeigt, dass es eben nur funktioniert an die Schalter des Systems zu kommen, wenn man mit dem System spielt, und nicht dagegen.

So geschehen bei der CDU (die meisten haben sie laut Umfragen nur wegen Merkel gewählt) und der AfD (reine Polemik, keine Inhalte). Weder das eine, noch das andere wollen die Piraten – und werden drum nicht gewählt. Offenbar funktioniert der „Durchschnittsbürger“ nicht so reflektiert und diskutierend mitmachend, wie man es sich seitens der Piraten wünscht. Offensichtlich braucht die Mehrheit in Deutschland „Personen mit einfachen Botschaften“ („Sie kennen mich ja“). Offenbar sind die meisten Bürger überfordert, sich mit Details und Debatten auseinander zu setzen.

Das ist schade, aber das ist so. Und da sollten die Piraten vielleicht mal darüber nachdenken.

Dann kommt keine Mama mehr, und sagt „hüti hüti, darfst du nich“

Christopher Lauer erzählt im Podcast mit Holgi von einer interessanten These (ihr dürft bis ca. 20 Minuten vor Schluss vorspulen, davor geht es eigentlich hauptsächlich um die BER-Katastrophe und wie doof Wowereit ist…). Die These besagt, dass die Welt nur deshalb am abkacken ist, weil alle „Erwachsenen“ immer noch darauf warten, dass ein Elter vorbeikommt, und sagt „dududu, also die 200m zum Zigarettenautomaten solltest du vielleicht nicht mit dem Auto fahren, sondern besser laufen. Das würde auch deiner Wampe besser tun“.

Tja. Da ist was dran. Es weiss doch eigentlich jeder, dass es Ökologisch der komplette Irrwitz ist, in Europa Steaks aus Argentinien zu essen. Nur wird es gemacht. Weil eben keiner kapiert, dass jeder einzelne in Summe mit allen anderen für die Misere verantwortlich ist. Nur drüber labern, und diese Probleme prokrastinieren, um immer weiter zu machen – das hilft nicht.

Machen hilft. Sein Verhalten ändern hilft. Hilft nicht nur sich selber gegenüber, sondern allen. Bringt das euren Kindern bei.

Die vielen Millionen

Zugegebenermaßen, im Vergleich zur Kakophonie über den Euro, Griechenland und so weiter wurde in den Medien relativ wenig über die Piratenpartei vor der Landtagswahl in Berlin erzählt. Man könnte ja nahezu von bewusster Ignoranz ausgehen, jedoch schätze ich, dass man sie einfach unterschätzt hat. Worüber allerdings geschrieben wurde, war die Aussage vom Spitzenkandidaten Andreas Baum im Interview mit dem RBB auf die Frage „Wie hoch ist die Veschuldung Berlins“ mit „Keine Ahnung, das müssen viele Millionen sein“.

Das wurde dankbar von allen Seiten aufgenommen, und als Argument verwendet, dass die Piratenpartei keinerlei Kompetenz in Sachen Finanzen hätte. Wenn man sich aber das ganze genauer anschaut, dann sind erstens 63 Milliarden ebenfalls „viele Millionen“, und zweitens – und das find ich eigentlich fast das wichtigste – hat Hr. Baum hier eben nicht wie alle anderen Politiker (die übrigens für diese Verschuldung verantwortlich sind) mit voreinstudierten Phrasen geantwortet, die nichts mit der Frage zu tun gehabt hätten. Er hat – das finde ich sehr bemerkenswert – die Frage ehrlich beantwortet.

Ich habe impulsiv genau wie die meisten Medien darauf reagiert mit „oh Gott, die kann man ja echt nicht wählen“. Aber was tut denn mehr zur Sache? Dass man eine Zahl nicht weiss, die man sehr leicht nachschlagen kann, oder dass man ehrlich antwortet?

9% sprechen da eine Sprache. Ich denke ehrlich und basisdemokratisch wäre mal ein Neuanfang.