Deutschlands kaputte Demokratie

Eine „Idee“ wird von einem grossen Verlagshaus in die Politik eingebracht. Eigentlich ist bei den Bürgern, bei Experten, selbst bei Journalistenverbänden niemand dafür, ja alle finden die „Idee“ sogar schädlich.

Trotzdem wird es als Gesetz formuliert. Und es passiert den Bundestag, mit Mehrheit der Regierungskoalition. Die Bürger, Experten und Journalistenverbände sind fassungslos. Aber die Opposition war ja dagegen. Und es gibt ja noch den Bundesrat. Wer hat dort die Mehrheit? Richtig. Eben diese Opposition.

Also kommt demnächst das Gesetz vor den Bundesrat. Und was macht die SPD? Nichts. Nichts!

Wie kann das sein, dass hier Einzelinteressen weniger Lobbyisten entgegen dem Mehrheitswillen in der Bevölkerung in ein Gesetz gegossen werden? Ist das noch Demokratie?

Ich denke nicht. Armes Deutschland.

Vorauseilender Gehorsam: Wie ein Gesetz die Branche verunsichert

Kaum ist die Abstimmung über das Leistungsschutzrecht im deutschen Bundestag gelaufen, zeigen sich erste Schatten des (noch nicht vom Bundesrat verabschiedeten) Gesetzes in der Branche:

Neben golem.de hat auch heise.de ein Statement veröffentlicht, in dem man dem geneigten Blogger und Aggregator in vorauseilendem Gehorsam weiterhin erlaubt, Ausschnitte aus Artikeln zu rezitieren.

Auch die Ankündigung einiger Aggregatoren, wie z.B. Rivva, die ebenfalls vorauseilend auf Nummer sicher gehen wollen, und schon mal ihre Zitate kürzen, zeigt welche grosse Unsicherheit dieses Gesetz schafft – und damit eine Goldgrube für Anwälte werden wird.

Leider definiert es in der letzten „last-Minute“ Fassung nicht genau, wie kurz diese „kürzesten Ausschnitte“ sein dürfen, die man nun doch noch zitieren darf.

Wie unfähig ist eigentlich der deutsche Bundestag, dass er nicht in der Lage ist, hier einen klaren, eindeutigen Text zu fabrizieren? Aber die Anwälte freuen sich sicher jetzt schon. Das gibt schön lange Gerichtsverfahren und Abmahnwellen. Denn letztere will ja der Bundestag auch nicht begrenzen.

Deutschland hat das Internet nicht verstanden.

Nun ist es also soweit: der Bundestag hat beschlossen, ein Gesetz zum „Leistungsschutzrecht“ zu verabschieden. Dabei handelt es sich um ein Privileg-Recht, ausschliesslich für Presseverlage, um verhindern zu wollen, dass Google Ausschnitte in Portalen wie z.B. Google-News verwendet.

Bye bye Deutsche Presseverlage. Hier schaufelt ihr euch euer eigenes Grab. Denn dieses Gesetz (sofern es denn auch noch durch den Bundesrat kommt – mit Rot/Grüner Mehrheit, die hatten immerhin dagegen gestimmt) wird eben nicht wie gewünscht dazu führen, dass plötzlich Firmen wie Google (und abgemahnte Blogger, denn das wird zwangsläufig folgen) öffentliche, ohne Zugangsbeschränkung im Netz stehende Texte eifrig lizenzieren und bezahlen. Nein. Sie werden einfach nicht mehr zitiert werden. Und dadurch nicht mehr in Suchergebnissen auftauchen. Und dadurch auch kaum noch beachtet werden. Der Klick bei Google geht schneller, als eine Adresse im Browser einzutippen.

Das ist Denke von Vor-vor-Gestern. Und zeigt, wie wenig die Verlage und auch die Bundestagsabgeordneten das Internet verstanden haben. Wenn ich mein Fahrrad nicht abgeschlossen an die Strasse stelle, und jemand nimmt es und fährt damit, dann zahlt mir das keine Versicherung. Das wollen aber die Verlage. Und zwar als alleiniges Privileg. Sie stellen Sachen öffentlich in das Internet, und keiner darf es benutzen. Aber genau dafür wurde das Internet erfunden. Um Sachen bereit zu stellen, die ALLE NUTZEN DÜRFEN, OHNE BESCHRÄNKUNG! Und weil man das eigentlich vorher weiss, ist das auch kein Diebstahl. So wie man beim Fahrrad weiss, das man es nicht unverschlossen an die Strasse stellen sollte.

Also werden deutsche Nutzer in Zukunft in Österreich Nachrichten lesen. Oder in der Schweiz. Oder per Google-Translate übersetzt in USA. Wen stört’s? Wahrscheinlich nur die Verlage.

Wenn SRF Angst vor Bloggern hat…

Ich greife hier gerne mal die Tagline vom Leumund auf, würde aber den unvollendeten Satz gerne beenden mit:

… dann können Sie von Ihren eigenen Beiträgen ja nicht allzu viel halten.

Die letztens gestartete Kampagne für das auch in Deutschland jeden rechtlichen Grundsätzen entbehrende „Leistungsschutzrecht“ in der Schweiz hat sich wohl jetzt auch SRF mit auf die Fahne geschrieben. Ich frage mich nur: Wovor haben sie denn Angst? Und wieso überhaupt?

SRF wird doch unter anderem hauptsächlich aus Billag-Einnahmen finanziert. Müssen Sie also Angst vor Bloggern haben, die Ihre Inhalte aufnehmen, und – wie sie sagen – verwursten? Sind die wirklich der Meinung, dass dort auch nur im entferntesten ein Konkurrenzangebot entstehen kann? Wenn ja, dann können sie ja wirklich nicht viel von sich halten. Und wenn ja, warum überhaupt Angst, denn die Billag muss man ja trotzdem zahlen?

Ich kann diesen ganzen Zirkus um dieses Google- und Blogger-Verbietungsgesetzt echt nicht nachvollziehen. Irgendwie erschleicht sich mir das Gefühl, dass es hier um ganz etwas anderes geht, als um die Inhalte.

Nur was?

Und: wenn Blogger nicht in der Lage wären, neue Inhalte zu erstellen, warum liest dann überhaupt jemand Blogs?

Das Produkt, welches keines ist.

Der Artikel vom Yves hat mich auf einen Gedanken gebracht, worauf vielleicht diese Absatzrückgänge gewisser Industriezweige zurückzuführen sind, welche (angeblich) durch das Internet verursacht werden:

Schauen wir uns doch einmal an, welche „Industrien“ wegen des Internets am lautesten schreien:

  • Musikindustrie
  • Filmindustrie
  • Zeitungsverleger
  • (noch nicht so stark, weil die eBooks noch nicht so richtig begriffen haben, aber das kommt auch noch) Buchverleger

Lustigerweise ist (von meiner limitierten Wahrnehmung aus gesehen) das in allen diesen Branchen so, dass nur die „Verteiler“ des Produktes so laut schreien, nicht aber die Autoren, bzw. „Schaffer“ dieser Werke (es sei denn, sie werden vor eine billige Image-Kampagne geschoben…).

Was ist diesen Branchen noch gemein? Es geht ausschliesslich um das Verbreiten sog. „Immaterialgüter„, d.h. „all jenes Wissen und Kulturgut, das sich der Mensch durch geistige Anstrengungen wie Lernen, Forschen, Nachdenken, Lesen oder auch Diskutieren zu eigen gemacht hat“. Der Mehrwert dieser Industriezweige beschränkt sich also auf die Verteilung dieser Immaterialgüter. Worum geht es aber den Konsumenten? Finden wir einen Song toll, weil er auf einer silbrigen Scheibe daherkommt? Gefällt uns ein Film, weil der blaue Laser vom Bluray so schön leuchtet? Ok, manchen Leuten gefällt tatsächlich das Knistern von Zeitungspapier, aber finden wir deshalb die Nachricht, die darauf gedruckt ist interessanter? Sind Bücher lesenswerter, weil sie auf Papier gedruckt sind, und 90% unserer Wohnzimmerregale füllen?

Nein. Den Konsumenten geht es eben um das immaterielle Gut. Der Ohrwurm, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Das Theaterstück, was uns zum Weinen brachte. Die „Breaking News“, die wir unserem Nachbarn erzählen. Das Trägermaterial ist vollkommen irrelevant! Eine ganze Industrie auf das Trägermaterial aufzubauen ist ja dann eigentlich mehr als fahrlässig. Trägermaterialien entwickeln sich weiter. Werden besser, billiger, und vor allem: oft durch andere ersetzt. Die Digitalisierung war bereits der erste Schritt. Da sich die Firmen ausschliesslich auf die Trägermaterialien fokussiert haben, macht die fast kostenlose Verbreitung digitaler Daten durch das Internet alle diese Industrien auf lange Sicht: überflüssig.

Und wenn man in andere Industriezweige, die der „materiellen Güter“ schaut, klagt dort einer über das Internet? Ich kenne keinen. Im Gegenteil. Für die meisten Firmen ist ein effektives Arbeiten ohne Internet gar nicht mehr denkbar.

Dennoch würden die Verlage, Filmfirmen, BMIs, Sonys und Bertelsmanns das Internet am liebsten abschaffen. Denn: Wer wird schon gerne überflüssig.